Wochenendeffektivität (Reisebericht Pictured Rock)

Gegen Freitag um 5pm brachen Christian, ein Arbeitskollege, und ich samt zusammengeborgter Zeltausrüstung gen Norden auf. Der Weg führte uns durch einsame Wälder bis an die Nordspitze der unteren Michigan-Halbinsel, die wir pünktlich zum SOnnenuntergang erreichten. Von dort führt die Mackinaw-Bridge, eine gigantische Brücke ähnlich der Golden Gate Bridge, auf die obere Michigan-Halbinsel (ja, Michigan besteht aus zwei Halbinseln. Nachzugucken in jedem Atlas:) )
Nach der Brücke, schon im dunkeln haben wir bei McDonals Abendbrot gefasst und stilecht beim Auofahren verzehrt. Gegen 11, mittlerweile stockfinster, wurde uns klar, dass wir den vermutlich vollständig belegten Nationalparkzeltplatz nicht mehr erreichen würden. Glücklicherweise fanden wir dann direkt auf dem Weg, in einem der letzten 200-Seelen-Gemeinden vor dem Ende der Welt noch einen kleinen "primitive campground".
Das heißt: Plumsklo, Wasserpumpe und viel Ruhe, Platz und EInsamkeit. Wunderbar. Bezahlt wird dort im Selbstregistrierverfahren, das geht so: Leeren Stellplatz suchen, an der Registriersäule Zettel und Umschlag holen. Reisedaten eingeben, Geld in Umschlag stecken und in einen Safe einwerfen. Einen zweiten Zettel klemmt man dann an die Stellplatzsäule fest als Manifest: Besetzt! Das System ist total simpel und funktioniert gut, da Amerikaner bei sowas eigentlich nicht bescheißen. Erst recht nicht, wenn der Stellplatz 5$ die Nacht kostet.

Im Licht der Scheinwerfer bauten wir das Zelt (zum ersten Mal) auf, da wir keine andere Lampe dabei hatten, abgesehen von meiner Minimag. Für 2 Ingenieure war das natürlich kein Problem, vermutlich hätten wir es im dunkel doppelt so schnell geschafft. Anschließend suchten wir die Toiletten, die im Busch versteckt waren, öffneten noch ein Geburtstagsbier und genossen den unglaublich hellen Sternhimmel.

Die Nacht war ziemlich frisch, ich hätte nicht gedacht, dass ich MItte August trotz 2xFleecejacke und langer Unterhose beim Zelten friere. Mehr Klamotten hatte ich ja gar nicht mit. Mittlerweile hab ich mich nun zum zweiten Mal getäuscht, ich hatte nämlich ursprünglich auch nicht gedacht, dass mir Mitte September im Wüstenstaat Utah das Zelt überfriert (Sommerurlaub 2006).

Frühstück in der Sonne, Zelt abgebaut, weiter ging Richtung Norden. Eine Stunde später waren wir im Nationalpark "Pictured Rocks National Lakeshore" und klapperten die ersten Aussichtspunkte ab. Zum Mittag gabs Pilzbohnen mit Reis, dannach wollten wir eine Runde wandern, die uns im Besucherzentrum besonders empfohlen wurde. Die Zufahrt gestaltete sich aber schwieriger, da die letzten 10 Kilometer nicht mehr asphaltiert waren. Der Weg an sich war schon glatt, aber durch die Ketten der Schieberaupe, die bei Feuchtigkeit wohl immer wieder den Weg gerade schiebt extrem wellig. Mein armer kleiner Geo klappterte und schüttelte grausam und ich war damit beschäftigt eine Geschwindigkeit zu finden, bei der möglichst wenig Eigenfrequenzen des Autos angeregt werden. Nebenbei waren da noch tiefe Sandlöcher, böse große Steine, eine riesge Staubwolke hinter mir und so weiter. Normalerweise fahren die Amerikaner ihre großen Jeeps und SUVs dort spazieren, wenn sie nicht gerad Angst um ihren Effektlack haben.

Die Wanderung war toll und führte in weiten Stecken oben direkt an der Kante der 100 Meter hohen Klippen entlang, die steil direkt bis in den Lake Superior abfallen. Wie immer war es einsam, sobald man sich mehr als 10 Minunten vom Parkplatz entfernt. Wir kehrten von den 12 Meilen pünktlich zum Einbruch der Dunkelheit zurück, allerdings mit Blasen an den Füßen, da wir beim Baden wohl Sand dazwischen bekommen hatten.

Die Küste, wie man sich schon nennen kann ist einfach unglaublich schön. Ein paar Bilder werden folgen, sobald ich eine Möglichkeit habe die online zu stellen. Dass sich ganz im Norden eine solche Landschaft befindet hätten wir beide nicht gedacht. Es wechseln sich dort riesige Klippen bunter Felsen, flache Sandstrände wie in der Karibik und riesige Dünenlandschaften ab. Dazu vereinzelt ein paar einsame Leuchtürme, die nötig waren, da die Handelsschiffe auf dem See immer in Ufernähe unterwegs waren, aber wegen den dichten Nebels oft auf Riffen aufliefen. (John Maynard...)
Abgesehen vom fehlenden Salzgeschmack ist der See wie ein Meer. Steifer Landwind Seewind tagsüber, große Wellen, kein Land gegenüber sichtbar.

Für die zweite Übernachtung standen wir wieder vor einem Problem. Kein Zeltplatz und schon wieder dunkel. Zur anderen Seite des Parks, die wir am nächsten Tag besuchten wollten gab es zwei Optionen: wie zuerst gekommen außen rum über Asphaltstraßen, ca. 150 km Strecke oder quer durch, unasphaltiert ca 50 km (Im Atlas steht meistens: "Unimproved Road, drive on your own risk, Four-Wheel-Drive recommended). Ganz günstig auf dem Weg lagen da weitere primitive campgrounds, welche von der Nationalwald-Verwaltung betrieben werden und sicherlich noch freie Plätze haben.
Naja, no risk, no fun, wir entschieden uns für das Abendteuer. Im Finsteren ruckelten wir eine reichliche Stunde mit Tempo 30 bis 50 auf einer von der Planierraupe geschobenen Schneise durch den stockfinsteren Wald. Gute Karten und gutes Kartenlesevermögen sind dann Gold wert!
Die ersten beiden angesteuerten Plätze waren geschlossen, den dritten erreichten wir dann endlich gegen halb 11. Es gab neben Wasser und Plumsklo ganze 10 Stellplätze, von denen auch noch welche frei waren. Juhu! Zeltaufbauen und Kochen im Dunkeln war ja schon Routine.

Nach einer weiteren kalten Nacht krochen wir morgens aus dem Zelt und stellten fest, dass wir direkt an einem kleinem See zelteten. Frühstück, Abbauen, Baden gehen, dann ging es weiter. Uns erwarteten ca. 40 km unbefestigter Straße uns unbekannten Zustands. Es ruckelte und schüttelte noch ärger als am Vortag aber irgendwie kamen wir ohne Panne, dafür mit einem total eingestaubten Auto durch. Seitdem habe ich auch ein nahzu blindes Vertrauen in meinen Geo.

WIr schlenderten dann wieder entlang der Küste, besuchten einen Leuchturm samt der trotzdem dort gestrandeten Schiffe aus der Zeit um 1900 als dort große Mengen Erze und Holz aus Kanada transportiert worden. Weiter gings zu 100 Meter hohen Dünen, die man nach unten rutschen konnte (und darf). Die Wir-empehlen-ihnen-das-nicht-zu-tun-wenn-sie-folgende-Krankheit-haben-Liste war doppelt so lange wie in jedem Freizeitpark. Sie wies auch darauf hin, dass der Aufstieg länger dauert als der Abstieg, dieser sehr anstrengend sein wird und außerdem, dass es kein Trinkwasser unterwegs gibt. Sicher ist sicher...

Gegen 18:00 traten wir die Heimreise an. Bis auf eine einstündige Kochpause brezelten wir mit üblicher Geschwindigkeit (erlaubt+10mph) nach Lansing zurück, was uns circa 6 1/2 Stunden kostete. Unterwegs begann es dann zu regnen, wobei ich ungüstigerweise feststellte, dass meine Scheibenwischerblätter völlig hinüber sind, weshalb ich den Rest ohne Wischen gefahren bin. Da im Niemandsland außer weißen Seitenstreifen (sofern vorhanden) sowieso nichts zu sehen ist, war das auch nicht so wild. A propos Wild... wir haben fast kein Wild gesehen, was uns schon sehr verwundert hat. Aus weiter Ferne gabs mal einen flüchtendes Reh sowie einen Waschbär auf der Rückfahrt, der sich ganz lässig gerade auf der Autobahn putzte, sicher aber glücklicherweise für die richtige Spur entschieden hatte.

Jedenfalls war das Wochenende sehr schön. In Lansing hatte es von Samstag an in Strömen geregnet während wir echtes Luxuswetter hatten, wenn auch etwas kühl.
Gefahren sind wir übrigens 1300 Kilometer. Allerdings kann man das Wochenende noch effektiver ausnutzen: Eine Gruppe von 5 Austauschpraktikanten hier ist übers gleiche Wochenende mit einem uralten Buick nach New York GEFAHREN. Freitag Mittag los, 12 h nonstop nach Staten Island. Von dort früh morgens auf die Fähre (ohne Auto) nach Manhatten. Übernachtet im Hotel, zurück dann Sonntag abend, Ankunft Montag 7:00 Uhr morgens. 8 Uhr ist Arbeitsbeginn. Da bleiben immerhin ganze zwei Tage in New York, sofern man jemanden findet der dann zurückfährt.
MuTZelchen - 23. Aug, 16:15

Land- oder Seewind?

Also, wenn Du typisches Küstenwetter gehabt hattest, dann war das kein Landwind. Der Wind, der vom Meer her zum Land weht, heißt Seewind... sorry fürs Klugscheißen, aber Wind und Wolken waren meine Lieblingsthemen in Geo ;)

nullnullschneider - 24. Aug, 05:41

Ja meine Lieblingsklugscheißerin, es war natürlich Seewind :) Danke.

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