Montag, 1. Oktober 2007

Juhu, Michigan ist (fast) pleite

Alles hat eine gute und eine schlechte Seite.
Zum positiven: Das Michigan State Capitol in Lansing Downtown ist ein imposantes Gebäude ähnlich dem Capitol in Washington und soll von innen sehr schön sein. Das Problem ist, dass es am Wochenende aus Geldgründen für Besucher geschlossen ist, da ja auch kein Politikbetrieb darin herscht. Mit anderen Worten, es wäre für uns unmöglich gewesen mal hineinzukommen.
Der Zufall wollte aber gerade, dass Michigan desaströse Schulden hat, keinen ausgeglichenen Haushalt und sich der Senat und das Repräsentantenhaus sowie die Gouvaneurin bisher noch keinen neuen Haushalt zustande bekommen haben. Also sprach Frau Gouvaneurin: Wenns bis Montag keinen gescheiten Haushalt gibt, erkläre ich Michigan bankrott.
Deswegen saßen die beiden Kammern jetzt Überstunden, und zwar das ganze Wochenende durch. Und da wenn Politik gemacht wird, bei einer ordentlichen Demokratie ja alles nachvollziehbar sein soll, war das Capitol offen, als wir gerade nichtsahnend mit den 3 neuen Praktikanten eine kleine Stadttour machen wollten.

Die Chefin für den Gästeservice im Capitol kam uns am Vorplatz entgegen und rief uns (als Touristen erkennend) zu, dass wir doch unbedingt reingehen sollten, da heute ausnahmsweise offen sei.
Auf eine Nachfrage von mir kam bei ihr die Gästeführerin durch und gab uns, obwohl auf dem Nachhauseweg, eine 15-minütige Einweisung ins Capitol, Michigans Haushaltsgeschichte und den aktuellen Vorgängen in der Politik.

Besonders letztes war durchaus interessant, was aber hier in der Öffentlichkeit kaum Beachtung findet. Zumindest war das in meinen letzten 8 Wochen nicht einmal Thema. Beim Durchzappen ist mir aufgefallen, dass an jenem Samstag gestern zwar auf 8 Kanälen Football lief, aber die so bedrohliche Finanzkrise ist mir nicht bewusst geworden.
Es schimpfen alle, dass alle Politiker doof sind und am liebsten, so meinte sie, möchte jeder die Politiker bestrafen. Das Problem sei aber das Gesetz, dass die Abgeordneten nur eine gewisse Amtszeit dienen dürfen, die sich so auf 6..8 Jahre beschränkt. Momentan seien die Politiker alle sehr jung und unerfahren und haben deswegen den Haushalt total versemmelt, zumal noch so populäre Maßnahmen wir EInkommenssteuersenkung durchgesetzt wurden. Wenn man weiß, dass den Laden sowie nur ein paar Jahre schmeißt, fallen solche Maßnahmen ja auch nicht schwer.
Jetzt ist das Kind in den Brunnen gefallen.

Drinnen wars sehr imposant, wir waren auch in den beiden Kammern, nur dass jedesmal gerade Pause war. Kein Wunder dass die nicht vorankommen ;) Alles sah ein bisschen nach LAN-Party für Erwachsene aus. Pizzaschachteln und Kissen. Die haben wohl geahnt, dass das lange Nächte werden.

Momentan (noch 25 Minunten bis Mitternacht) stehts auf der Kippe. Ich verfolge gerade die Breaking News auf der Website des Lansing State Journals. Von einem Notbudget ist die Rede, welches für 30 Tage gelten soll. Und vom Anheben der Einkommenssteuer von 3,9% auf riesige 4,35% .
Außerdem soll die Mehrwertsteuer von 6% auf zahlreiche Dienstleistungen ausgedehnt werden, die bisher nicht betroffen waren wir Taxi, Beratungen, Handwerkerleistungen usw.
Die Republiker finden diese Vorschläge natürlich unerhört. Mal schauen was sie hinkriegen.

Auf jeden Fall wirds morgen wohl etwas chaotisch, da vielen Mitarbeitern heute Mittag gesagt wurde, dass morgen erstmal Zig ist und selbst im Falle eines Notbudgets die Mitarbeiter nicht mehr erreicht werden können.
Alle Dienstleistungen des Staates werden bis auf höchst lebensnotwendige Dinge ausgesetzt. Führerscheinstelle, KfZ-Amt, Lotterie, Alkoholvertrieb und State Parks werden geschlossen. 1000 Camper mussten heute Abend die Zeltplätze räumen. Gefängnisse uns die State Police fahren nur noch mit Minimalbesetzung.
Betroffen wären 35000 von 55000 Mitarbeitern, die ab morgen vorerst arbeitslos wären.

Und, so erfuhren wir noch der schlauen Madam vom Capitol, keinem Staat gehts so dreckig wie Michigan. Die höchste Arbeitslosigkeit (7,4%), die höchsten Nebenkosten, teure Versicherungen, hohe Armutsrate, schlechte Straßen, Dauerumsatzflaute für Detroits Autoindustrie... und keiner scheint zu fragen, warum das so ist.
Aber um ehrlich zu sein: Das kriegt man nicht mit, solange es keinem erzählt wird. Das Leben läuft voran und so richtig dreckig gehts der Mehrheit nicht.

In Deutschland wird ja auch viel gejammert, wobei die Gründe da noch eher berechtigt sind, wenn Steuern und Arbeitslosigkeit zweistellig sind. Irgendwie bricht deswegen die Staatsregierung aber nicht ein.
Vielleicht ein vorsichtiger Pluspunkt für unsere Gesellschaft und Politik?

Update: Nix passiert. Kein neuer Haushalt. Govaneurin erklärt Michigan für bankrott.
Gute Nacht.

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