Samstag, 12. Januar 2008

Gesund für nur 210 Dollar

Meine kleine Neujahrserkältung hatte sich verselbständigt und ich saß schon die ganze Woche mit böse entzündeten Nasennebenhöhlen zu Hause, Kopfschmerzen, Hämmer, Zahnschmerzen und alles inklusive.
Viel Trinken, Wärme, Nasenspülen, Ruhe, Geduld und sonste Hausrezepte (von Oma via Skype-Konferenz angefordert) zeigten leider keinen Erfolg, sodass ich mich nach einer reichlichen Woche zu einem Arztbesuch entschloss. Das war gestern.

Laut Internet gabs ne Praxis ganz in der Nähe und da Markus das Auto ja mit auf Arbeit hatte, hab ich mich dafür entschieden. (Mir ist er jetzt aufgefallen, dass nur jedes zweite Grundstück einen Fußweg hat. Das ist genauso sinnlos wie hässlich...)

Die ganzen Praxen waren auf dem Patient Care Drive. Eine riesige Allgemeinarztpraxis mit mindestens 10 Doktor-Namen an der Tür und angenehm wenigen Leuten im Wartezimmer. Am Schalter (ja, da Leben findet am Schalter statt. Entweder davor - du wirst angearscht- oder dahinter - du bist der Arsch) erhielt ich zur Auskunft dass man Bar- und Kartenzahler nicht behandle (sie aber natürlich nicht mit meiner Versicherung in Deutschland direkt zu tun haben wollten) und zweitens keine Walk-Ins (Patienten ohne Termin) behandle.
Also bin ich wieder gegangen und hab mich übers deutsche Gesundheitssystem gefreut.

Heute dann nächster Anlauf, mit Auto in Planung. Kollegen sagten mir, dass es hier Redicare-Center gibt, Praxen die nur Patienten ohne Termin nehmen. Also ein Instant-Oil-Change für Kranke. Genauso war es auch.
Am Eingang meldet man sich am Computer an und wird dann später mal aufgerufen, um am Schalter seine Pauschal-Doktor-Besuchsgebühr von 85 Dollar vorneweg zu zahlen. Nach 15 Minunten dann war ich bei einem Doc drin, der mir, wie erwartet Antibiotikum und nen Schleimlöser verschrieb. Mit einem einseitigen Blatt, einer Check-Liste, wird man dann weggeschickt. ("Ölstand aufgefüllt, Luftdruck geprüft, Blinker und Scheinwerfer ok).

Mit meinem Rezept ging ich zur Pharmacy America Trusts - Walgreens. Das Äquivalent dazu in Deutschland heißt Tchibo und behauptet ein Kaffeespezialitätenladen zu sein. Mit dem kleinen Unterschied, dass ich einem Kaffeeladen weniger Vertrauen entgegenbringen muss als einer Apotheke, die Lebensmittel, Haushaltsreiniger, Geränke und Partyzubehör verkauft.
Walgreen hat mindestens die Größe eines Lidls und hat in der hintersten Ecke wieder zwei .... richtig: Schalter. Das Leben hier spielt sich an Schaltern ab. Meistens erfolglos, weil jemand Unfähiges dahinter sitzt. So auch hier eine (wieder mal) offenkundig angeödete Frau, die mein Rezept entgegennahm und meinte, ich könnte es in 30 Minunten abholen. Ja, das dauert so lange, da hier alles abgezählt in eigens ettikettierte Platikdöschen mit Namen etc. eingefüllt wird (da waren neben einem großen Abfüllautomaten tatsächlich noch 3 weitere Personen mit Eintüten beschäftigt).

Nach 45 Minuten kam ich wieder und stellte mich an Schalter Zwei (Abholen) an und wartete 10 Minunten, weil die Kassenfrau gar nicht so schnell verkaufen konnte wie die anderen Eintüten. Das läuft so ein bisschen ab wie beim Fotos in der Drogerie abholen. Man bekommt die Tüte und bezahlt. Nix Beratung, Anweisung etc....

Als ich dann dran war, gabs für mich noch keine Tüte. Nachforschung. Mein Name war falsch im Computer. Ja, Ärzte haben auch hier Sauklaue. Alles musste umgedruckt und umettikettiert werden. Nochmal 10 Minunten. Dann die Rechnung. 130 Dollar. 90 davon für fünf Tabletten Antibiotikum. Meine Fresse, das geht auf den Kontostand.
Glücklicherweise pack ich alle vor Ort aus und gucke es durch, ob es die Quittung für eine Versicherung in Deutschland nachvollziehbar ist. Dabei merke, dass nicht nur mein Name (wieder) falsch ist, sondern auch mein Geburtsdatum völlig daneben ist, das ich zuvor nennen sollte. Ob ich wirklich die richtigen Tabletten habe?

Nach weiteren zehn Minunten Druckwartezeit konnte ich dann gehen. Das wäre bei der Rückerstattung schwierig geworden.

Juhu, dafür bin ich bald gesund für nur 210 Dollar!

Am Rande bemerkt: Es ist ein verdammt ungutes Gefühl, wenn man sich einen Arzt suchen muss, dem deine Bezahloption genehm ist und der es für nötig hält, dich ohne Termin zu behandeln. Und wenn man in eine Praxis hineinläuft wie in die Sofort-Ölwechsel-Werkstatt. Und dort Ärzte arbeiten, die ihre Patienten einmal im Leben sehen und im Regelfall wahrscheinlich arme, unversicherte Amerikaner vor sich haben, die, wenn einmal in vier Jahren unbedingt nötig, zu einem Redicare-Center gehen, weil sie dort ärztliche Fürsorge für besonders wenig Geld bekommen.
Wenn man auf dem Weg ins Wartezimmer an der Kasse Stopp machen muss. Und auf der Quittung steht "Dienstleistung erbracht" und "Patient Nr. 82720348".
Und in der Apotheke Fräulein Rezeptannahme, Fräulein Tabletteneintütel und Fräulein Medikamentverkauf wahrscheinlich vor 3 Wochen noch bei Burger King BigMacs belegt haben, aber defintiv keine mehrjährige Ausbildung zum Apotheker gemacht haben.

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