Auto fahren dürfen und können

Man könnte ja fast denken, dass eine Nation, die das Auto nur zum Schlafen, Arbeiten und Fernsehgucken verlässt, besonders gute Autofahrer sind. Das ist nicht der Fall, ganz besonders nicht in Michigan.
Mit Ausbildung hat die Fahrschule hier nicht viel zu tun. Wer weiß, wie er Gas und Bremse beim Automatik trifft und den idiotensicheren Kreuzeltest besteht, bekommt einen Führerschein und somit die Erlaubnis sein Auto unkoordiniert durch die Landschaft zu bewegen. Viel wichtiger ist dieses Dokument um Alkohol kaufen zu dürfen, den es ist gleichzeitig der Ausweis.
Das heißt nicht, dass man ohne die Erlaubnis ein Auto zu fahren seine Idendität verliert - wenn auch sein Ansehen- vielmehr bekommt man dann eine ähnliche Ersatzkarte.

Der kleine Unterschied zu uns besteht darin, dass man Auto mit 16 Jahren (in manchen Staaten ab 14) fahren darf, Alkohol trinken jedoch erst ab 21 Jahren, schließlich fehlt da noch die Reife um mit dem Teufelszeug umzugehen. Zum Vergleich: Die Reife um für sein Vaterland Menschen erschießen zu können hat man wie bei uns schon ab 18.

Kurze Rede, langer Sinn: Die Leute sind fürchterlich schlechte Autofahrer: Uneffektiv, unberechenbar, unheimlich.

Geblinkt wird selten, vor allem nicht an Kreuzungen und bei Anhalten. Es kommt regelmäßig vor, dass jemand vor der grünen Ampel auf die Bremsen latscht. Kurz darauf öffnet sich die Beifahrertür und es steigt jemand aus...

Spurwechsel auf der Autobahn anzeigen ist auch nur für Weicheier. Toten Winkel kontrollieren für Anfänger.
Leute einfädeln lassen oder auf die Ausfahrts-Spur lassen, besonders wenn sie blinken: niemals! Lieber lässt man den anderen auf nen langsames Wohnmobil auflaufen oder an der Ausfahrt vorbeifahren. An dieser Stelle muss man Rambo sein und die 8 Meter Lücke zwischen zwei Autos nehmen.

Abgebogen wird mit weit ausgeholtem Bogen in die Gegenrichtung. (Lustig wirds, wenn jemand nicht blinkt, links steht und eigentlich rechtsrum will.)

Reisverschluss, wenn die Baustelle in 2 Meilen ist? Sofort!
Rückstau? Ist doch egal, das Land ist groß.
Aufrücken und die zweite Spur mit nutzen? Mach ich nie wieder, egal wie sinnlos man den Verkehr in der Stadt blockiert. Offenbar verletzt man das Gerechtigkeitsempfinden der Amerikaner (gerade dort....) zutiefst, jedenfalls wird man böse angeguckt, angehupt und erst recht nicht reingelassen.

Überholen? Auf der Landstraße traut sichs keiner, fahren ja sowie alle schon zu schnell. Auf der Autobahn wird stur mit Tempomat gefahren. Die Bremse anzutippen und die Geschwindigkeit wieder manuell zu kontrollieren stellt offenbar eine so große Anstrengung dar, dass dieses Manöver erst durchgeführt wird, wenn schlimme Konsequenzen unmittelbar absehbar sind.
Da gibt es Chaoten mit einem 3,5 Tonnen Pickup, Anhänger und Motoräder auf der Ladefläche, die auf der linken Spur mit 1,5 mph Überschuss auf mich Auffahren und erst Abschalten, wenn ich die Vorderlichter im Rückspiegel nicht mehr sehen kann. Wenn ich dann wieder auf die rechte Spur kann, schalten die ihr Tempomat wieder ein und überholen mich dann die folgenden 5 Minunten mit 1,5mph Geschindigkeitsüberschuss.
Mein Rekord war ein Wohmobil, dass mich versucht hat auf hügeliger Strecke zu überholen. Nach 10 Minunten wars dann vorbei.

Ansonsten gibts noch die Zombie-Truckdriver. Fahrtenschreiber gibts nicht, Lenkzeitbeschränkungen sind im europäischen Vergleich ein Witz. Die Leute lesen beim Fahren Zeitung und sind, besonders nachts, meistens die, die einen mit 130 kmh überholen, wenn nur 110 erlaubt sind.
Auf der Weg von und nach Chicago hatte es jeweils einer auf uns abgesehen.

Auf der Hinfahrt überholte in der Baustelle ein LKW von rechts und fuhr schnurrgeradeaus, als die beiden Spuren einen (angezeigten) Schlenker nach rechts machten. Eine beherzte Bremsung unseres aufmerksamen Fahrers rettet die ungestörte Weiterfahrt (bis in Chicago das Kühlwasser kochte;)

Auf der Rückfahrt, bereits dunkel, wurden nach einer Baustelle zwei bisher getrennt voneinander laufende Behelfsspuren wieder nebeneinandergeführt. Wir fuhren rechts (die lansame Spur), von weiter links im schmalen Winkel herangeführt kam die "schnelle" Spur, mit einem LKW, der ohne Blinken, Zucken, Zögern oder sonstewas über den Sperrstreifen auf unsere Spur fuhr. Nach einer Vollbremsung fanden wir uns wohlbehalten auf dem Standstreifen wieder.

Naja, man muss einfach wissen, woran man ist. Im Vergleich mit Franks Erzählungen aus Saudia-Arabien läuft das hier alles noch sehr gesittet ab.

Übrigens, Michigan ist einer der Staaten, die mit Deutschland ein vollständiges Anerkennungsabkommen haben. D.h. hier "erworbene" Führerscheine sind ohne Nachprüfung übertragbar. Mein Mitbewohner Markus wollte ja an der Volkshochschule für 25 USD den Wochenend-Motoradkurs machen, bis er dann wegen Unachtsamkeit durch(um)gefallen ist...
Ich hab schon überlegt, ob hier an dem Freitagabendkurs für 100 Dollar mein Busführerschein mit mehrachsigen Anhänger mache.... ,-)

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